14. Dezember 2023
3 Minuten zu lesen

Dynamische Stromtarife kommen in die Schweiz: So funktioniert das Modell

In anderen Ländern sind dynamische Stromtarife gang und gäbe. In der Schweiz kennt man aber üblicherweise meistens nur den Doppeltarif, umgangssprachlich auch Hoch- und Niedertarif genannt, und in einigen Regionen den Einheitstarif. Sprich entweder hat man zwei Tarifzonen oder nur eine. In Deutschland und nordischen Ländern gibt es aber eben dynamische Stromtarife – in der Schweiz wird nun ab 2024 der erste, dynamische Stromtarif zur Verfügung stehen.

Wie setzt sich eigentlich der Stromtarif zusammen?

Um den dynamischen Stromtarif zu erklären, Bedarf es etwas Grundverständnis wie sich der Strompreis eigentlich zusammensetzt. Ich habe dazu meinen Preis für 2024 genommen und ihn in die verschiedenen Komponenten aufgeteilt. Man sieht, der Energiepreis macht mit 63% den grössten Teil aus. Ebenfalls noch sehr dominant ist die Netznutzung mit 20% und die weiteren Abgaben befindent sich im einstelligen Prozentbereich.

Zusammensetzung Strompreis Schweiz
Zusammensetzung Strompreis Schweiz

Dynamische Stromtarife in Deutschland und nordischen Ländern

Dynamische Stromtarife sind Stromtarife, bei denen sich der Strompreis in Echtzeit an Angebot und Nachfrage auf dem Strommarkt orientiert. Im Gegensatz zu herkömmlichen Stromtarifen, können sich die Preise bei dynamischen Tarifen innerhalb von Stunden oder Viertelstunden ändern. Massgebend für den Preis ist die Strombörse – ein Marktplatz, auf dem Stromhändler Strom kaufen und verkaufen. Das heisst dynamische Stromtarife ändern sich alle 15min oder alle Stunden und werden oft am Tag davor publiziert.

Erster dynamischer Tarif der Schweiz: Vario-Tarif von Groupe-E

In der Schweiz startet das Energieunternehmen Groupe-E, welches als Verteilnetzbetreiber in der Region Fribourg / Neuchatel aktiv ist, als erstes mit einem dynamischen Tarif. Anders als unsere nördlichen Nachbarn ist aber der Energiepreis nach wie vor jährlich fixiert, die Netznutzung aber dynamisch. Das wird gemacht um das Netz zu entlasten, beziehungsweise den Preis der Netzlast anzupassen. Je höher die Netzlast, desto höher der Preis. Jeden Tag bis spätestens 18 Uhr veröffentlicht Groupe E die Preise für jede 15-Minuten-Periode des folgenden Tages. 

Netzlastlast-Prognose definiert Strompreis
Netzlastlast-Prognose definiert Strompreis

Wer kann von diesem Tarif profitieren?

In der Schweiz haben wir für «Kleinverbraucher» keinen liberalisierten Strommarkt, ich kann entsprechend meinen Anbieter nicht selbst wählen. Wer im Verteilnetz von Groupe E angeschlossen ist und weniger als 100’000 kWh pro Jahr verbraucht, kann den Vario-Tarif wählen. Besonders Sinn macht es natürlich erst, wenn ein sich viertelstündlich wechselnder Tarif auch genutzt werden kann. Das lohnt sich dann gut, wenn man entsprechend flexible Lasten hat, die man gut steuern kann. Wie beispielsweise ein Elektroauto, Warmwasser-Boiler oder auch eine Wärmepumpe. Entsprechend sind Energy Management Systeme wie Solar Manager hier natürlich prädestiniert.

Ins HEMS integrierte dynamische Preise versprechen viel Optimierungspotential
Ins HEMS integrierte dynamische Preise versprechen viel Optimierungspotential

Fazit

Ich bin überzeugt, dass wir in der Schweiz mit solchen Modellen erst am Anfang stehen und hier viel Potential verborgen ist. Der Ausbau von erneuerbaren Energien fordert viel vom Netz und wird derzeit oft einfach durch Kupfer gelöst, in dem man Leitungen ausbaut. Mit Modellen wie einem dynamischen Tarif nach Netzlast, versucht man hier schon etwas Intelligenz ins Netz zu kriegen und ich bin überzeugt, das hilft. Gerade Elektroautos mit ihren grossen Batterien bieten sich als ideale Lasten an, die man zeitlich schieben kann um sie zu Laden.

Aktuell ist der Kreis jener, die von einem solchen Tarif profitieren können noch klein. Würdet ihr auf einen dynamischen Tarif umsteigen, wenn euer Verteilnetzbetreiber einen solchen als Wahl-Tarif anbieten würde?

24 Comments

  1. Daniel

    Ich bin nicht vollständig davon überzeugt, dass dies dem Verbraucher wirklich zugutekommen wird. Ich erkenne den Vorteil für die Netzbetreiber, aber meine Erfahrungen mit dynamischen Preisen im Flugverkehr und in Skigebieten haben bei mir einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen. Daher bin ich der Meinung, dass solche flexiblen Preismodelle eher den Lieferanten dienen und letztendlich zu höheren Kosten für die Kunden führen könnten.

    • Mirko

      Der Unterschied hier zwischen Liftpässen/Flugtickets und dynamischen Stromtarifen ist, dass Lift- und Fluggesellschaften hohe fixe Kosten haben. Unter diesen Umständen tragen dynamische Preise zur Gewinnoptimierung bei.

      Bei einem dynamischen Tarifmodell, nach meinem Verständnis, haben Netzbetreiber einen hohen Kostenanteil der basierend auf den Marktpreisen variiert und würden diesen mit einer Marge an den Verbraucher weitergeben. Ob Marktpreise hoch oder niedrig sind, der Netzbetreiber «verdient» immer nur die Marge, somit kommen ihm hohe Preise nicht direkt zugute (im Gegensatz zu Lift- und Fluggesellschaften).

      • Mirko

        Der geschickte Verbraucher, der seine Nutzung entsprechend (automatisch oder manuell) steuern kann, wird hierbei immer profitieren.

        Dies entspräche der Felixibilität von günstigen Ski- und Flugtickets gebrauch machenzu können, was sich in der Praxis jedoch als deutlich schwieriger erweist (die Preiselastizität ist geringer da Leute z.B. auf Wochenenden oder Schulferien angewiesen sind).

        • Oli

          Ich gehe davon aus, dass wir in Zukunft zwei Tarife haben werden:
          – fixer Tarif für die «normale» Stromnutzung
          – dynamischer Tarif für automatisch steuerbare Lasten wie Wärmepumpe oder Ladestation für das Elektroauto. Wenn die Apparate gut auf die Preise reagieren, wird dieser Tarif günstiger. Wenn man die Geräte falsch steuert, wird es teurer.

      • Oli

        Wir müssen zwischen dynamischen Energie- und dyanmischen Netztarifen unterscheiden:
        – Energie: Da kann man sich z.B. an die Börse koppeln und kann von tiefen preisen profitieren, muss aber auch das Riskio von hohen Preisen tragen. Die kleinen Endverbraucher bezahlen heute dem Energiehändler einen Preis, der dieses Risiko abdeckt.
        – Netz: Das ist praktisch nur von Fixkosten (Bau vom Netz) getrieben. Sie dürfen pro Jahr nicht mehr einnehmen, als die tatsächlichen Kosten. Die Einnahmen der VNB sind somit immer gleich, egal wie die Tarife gemacht werden. Mit dynamischen Tarifen kann aber ein Anreiz gesetzt werden, das Netz in kritischen Zeiten nicht zu belasten. In Zukunft möchten wir z.B. das Laden der Autos am Ostermontag Abend verschieben oder bremsen.

  2. Thomas

    Ich sehe hier leider nur Vorteile beim Stromunternehmen… Du kannst nichts gegen dieses Diktat für den nöchsten Tag tun…. Auch wenn der Hoch und Niederstrom-Tarif fix sind, können die einfach schneller und länger den Hochstromtarif laufen lassen… Zu deren Profit. Zum Beispiel ab 5 Uhr schon, wenn alle noch zu Hause den Kaffee kochen, weil der Strom im Winter ohne Sonne halt dann teurer im Einkauf ist.

    Das einzig sinnvolle wäre eine CH-weite Verordnung, dass ab Herbst bis Frühling der Strom zu 20% teurer ist (nur HT) dafür von Frühling bis Herbst 20% billiger (nur HT), wegen Solarstrom von ganz Europa… Nur so kann man den Konsumenten zum Energiesparen im Winter motivieren.

  3. Roman

    Dynamische Preise sollten als Wahltarife zur Verfügung stehen. Wichtig finde ich, dass an einer standardisierten Schnittstelle oder API gearbeitet werden soll, sodass in Zukunft auch weitere Verteilnetzbetreiber oder Applikationen einfach folgen können.

    Wie kann dieser dynamische Preis der Netznutzung im Monopol der Verteilnetzbetreiber korrekt abgerechnet werden?

  4. Michel

    Ich denke, man muss Energie und Netznutzung bezüglich dynamischer Tarife ganz klar differenziert betrachten. Die Netzbelastung ist zwar sehr volatil, ist jedoch auf der Zeitachse auf wenige Prozente planbar. Aus diesem Grund macht ein dynamischer Tarif im Netz wenig Sinn und verkompliziert das Tarifsystem nur. Dies heisst nicht, dass zeitlich nicht verschiedene Tarife zur Anwendung gelangen sollen, welche der Netzbelastung Rechnung trägt. Generell sollte von einem nicht degressiven zu einem leistungsorientierten Tarifsystem gewechselt werden.

  5. Roland

    Eine weitere Möglichkeit Netzausbaukosten zu vermeiden biete der innovative Top 40 Tarif der Elektra Jegenstorf.
    Nur max 60% Einspeisung – dafür 8% höherer Preis.

  6. Markus Gehrig

    Ich denke das hat auch für den Verbraucher Grosses Potenzial, wenn die Last automatisch geregelt wird. V2H via Typ2 würde das unterstützen. Warum da die Autohersteller da nicht mehr vorwärts machen verstehe ich nicht.

  7. Oli

    Das sind spannende Ideen, die uns in Zukunft auf jeden Fall begleiten werden. Ein paar Kommentare von jemandem, der sich vertieft damit auseinandersetzt:

    Wir müssen Netz- und Energiepreis getrennt betrachten. Der Energiepreis kann relativ einfach an die Börse gekoppelt werden. Das wird z.B. in Skandinavien schon so gemacht.

    Der Netzpreis sollte dann hoch sein, wenn das Netz stark belastet wird, um den Netzausbau zu begrenzen. Die jährlichen Einnahmen dürfen dabei natürlich nicht höher ausfallen, weshalb der Tarif in 90% der Zeit tiefer als heute sein wird. Der Variotarif von Groupe-E ist ein solcher Tarif.

    Der Tarif für die Entschädigung der Rückspeisung in Jegensdorf ist wieder etwas anderes. Da geht es um die Entschädigung der Flexibilität vom Kunden. Wenn der seine PV so steuert, dass die grössten Einspeisespitzen verhindert werden (z.B. Wärmepumpe, E-Auto laden oder abregeln) bekommt er einen besseren Tarif für die eingespeiste Energie.

    In Zukunft sehe ich eine vielzahl von Tarifen. Wir werden einen Flat-Tarif für den nicht steuerbaren Verbrauch (Beleuchtung, Kochen, etc.) haben und parallel dazu einen dynamischen Wahltarif für steuerbare Lasten (WP, Wallbox, etc.). Dieser wird etwas günstiger sein, wenn man richtig macht und teurer, wenn man es falsch macht. Die Energiemanamentsysteme werden die Tarifinformationen (Netz, Energie, Flexibilität) heute bis 17.00 bekommen und dann den Energieverbrauch der steuerbaren Verbraucher für Morgen optimieren. So sparen wir Netzausbau und kosten, was wieder allen Kunden zugute kommt.

    P.S. ein allererster Entwurf für eine API ist fertig. Wir werden den mit VNBs, Hans und anderen prüfen und dann hoffentlich schweizweit anwenden.

  8. Markus #16

    Deine optimistischen Gedanken, Hans, in Ehren, ABER dynamic pricing ist IMMER so ausgelegt, dass es dem Anbieter hilft, nicht dem Kunden. Es ist nichts anderes als eine versteckte Preiserhöhung. Der Solarmanager kann also künftig nur Schadensbegrenzung machen, und auch das nur in sehr begrenztem Umfang.

    • Hans

      In Deutschland sind dynamische Stromtarife sehr interessant, da diese sogar negativ sein können und man entsprechend Geld verdient wenn man Strom bezieht. Dann wird es doch auch für den Privaten spannend.

    • Oli

      Das ist leider wieder eine pauschale Aussage, die ohne Fachkentnisse aus dem Bauch heraus gemacht wird.

      Es gibt bei der Energie zwei Bereiche:

      1. Markt:
      Wenn jemand in einem freien Markt einen fixen Tarif anbietet, muss er die Preisschwankungen abschätzen und einrechnen. Zusätzlich wird er auch eine Sicherheitsmarge einrechnen. Zu hoch kann er aber nicht gehen, weil (in einem freien Markt) alle zu einem anderen Anbieter wechseln.

      2. Monopol:
      Im Monopol sind die Erträge genau reguliert. In der Schweiz wird das von der ElCom überwacht, welche von jedem Netzbetreiber jährlich hunderte Finanzzahlen bekommt. Die in einem bestimmten Jahr in Rechnung gestellten Summen müssen genau gleich sein, egal ob mit fixen oder variablen Tarifen gerechnet wird. Ich gehe daher davon aus, dass der Preis in 80’% der Zeit nahe 0 sein wird, um in Zeiten mit Netzengpässen genügend hohe Anreize setzten zu können. Wenn der Netzausbau dank variabler Tarifen reduziert werden kann, sinken sogar die anrechenbaren kosten, d.h. der Netzbetreiber darf weniger einnehmen.

      • Roman

        Dadurch das die freien Marktpreise nicht unbedingt die lokale Auslastung des Verteilnetzes wiederspiegeln müssten ja 2 verschiedene dynamische Preise zusammenkommen, um allen Bedingungen gerecht zu werden.

        Wie du gesagt hast kann der Energiepreis an den Marktpreis angekoppelt werden.

        Die Netzpreise unterliegen ja dem Monopol. Die lokale Auslastung des Verteilnetzes kann aber auch dynamisch vertechnet werden. Jedoch müssen hier diese Preise schon im Voraus so berechnet sein, dass ein Verteilnetzbetreiber ende Jahr nicht zu viel abrechnet, da sie eben in diesem Monopol sind.

    • Oli

      Das ist leider wieder eine pauschale Aussage, die ohne Fachkentnisse aus dem Bauch heraus gemacht wird.

      Es gibt bei der Energie zwei Bereiche:

      1. Markt:
      Wenn jemand in einem freien Markt einen fixen Tarif anbietet, muss er die Preisschwankungen abschätzen und einrechnen. Zusätzlich wird er auch eine Sicherheitsmarge einrechnen. Zu hoch kann er aber nicht gehen, weil (in einem freien Markt) alle zu einem anderen Anbieter wechseln. Mit den variablen Tarifen wird er eine kleine Marge einrechnen, muss aber kein Risiko für unerwartete Schwankungen tragen und kann so eher günstiger anbieten. Das wird er tun, um mehr Kunden zu gewinnen und zu wachsen.

      2. Monopol:
      Im Monopol sind die Erträge genau reguliert. In der Schweiz wird das von der ElCom überwacht, welche von jedem Netzbetreiber jährlich hunderte Finanzzahlen bekommt. Die in einem bestimmten Jahr in Rechnung gestellten Summen müssen genau gleich sein, egal ob mit fixen oder variablen Tarifen gerechnet wird. Nimmt der Verteilnetzbetreiber zu viel ein (z.B. weil es ein kalter Winter ist), muss er diese Mehrerträge in den kommenden 3 Jahren wieder zurückgeben, indem er die Tarife entsprechend senkt (Deckungsdifferenzen Art. 4d StromVV). Ich gehe daher davon aus, dass der Preis in 80’% der Zeit nahe 0 sein wird, um in Zeiten mit Netzengpässen genügend hohe Anreize setzten zu können. Wenn der Netzausbau dank variabler Tarifen reduziert werden kann, sinken sogar die anrechenbaren kosten, d.h. der Netzbetreiber darf weniger einnehmen.

  9. Rienus van Hees

    Dynamische Tarife werden sicherlich auch den smarte Hauseigentümer dienen. Vorausgesetzt, man geht mit der Zeit mit und schaut voraus. Ein gut dimensionierten PV-Anlage und stationäre Batterie. Bidirektional laden mit dem EAuto und ein entsprechende Energie-Manager (wie z.B. SolarManager). Dann noch die Reglungen anpassen (aktuell darf man vom Netz noch kein Strom in die Batterie laden. Vom Autobatterie aber schon.) und es wird sich ein riesiges Sparpotential ergeben. In der Schweiz geht alles halb so schnell wie in z.B. Deutschland. Ich bin aber der Meinung, das es mit Sicherheit kommen wird. Die Vermieter werden dann irgendwann mit PV auch nachziehen, weshalb der Mieter dann auch mit eine Vergünstigung rechnen kann. Das dauert aber wahrscheinlich noch…

  10. Mirko

    Danke für den spannenden Beitrag und die grossteils fachkundigen Kommentare.

    Ich fände es wertvoll wenn diese Entwicklung noch unter zwei Aspekten analysiert würde:
    1. Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit von PV Anlagen: durch tendenziell geringere Stromtarife während sonnigen Phasen wird sich die Wirtschaftlichkeit wohl ins negative ändern. Lohnt sich eine eigene Anlage dann noch?
    2. Langfristiges Marktgleichgewicht: inwiefern wird es eine permanente Lastverschiebung geben, die die Marktpreise beeinflusst und dadurch langfristig zu geringeren Schwankungen der spot rates / dynamischen Preise führen wird?

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