17. Juli 2023
4 Minuten zu lesen

Sind Ladetarife die neue «Reichweitenangst» der Elektromobilität?

Seit 2017 bin ich rein elektrisch unterwegs und die Thematik «Reichweitenangst» hat mich seit jeher begleitet. Dies vor allem von Leuten, die noch nicht elektrisch unterwegs sind. Was mir derzeit aber immer wieder öfter begegnet, ist das Thema Ladetarife. Dieses Thema aber auch von Elektroautofahrern und meistens stark umstritten auch in sozialen Medien. Was darf Laden überhaupt kosten und welchen Impact hat es überhaupt, das versuche in diesem Artikel zu klären.

Zielgruppe

Damit hier keine Unstimmigkeiten entstehen, dieser Artikel fokussiert klar auf Leute die zu Hause eine Wallbox haben. Sprich Elektroautofahrer und -fahrerinnen, welche über eine Lademöglichkeit zu Hause oder beim Arbeitgeber verfügen. Denn dann ist der Anteil von externem Laden vergleichbar mit meinen Daten und Erfahrungen. Zusätzlich dürfte das Szenario auch auf einen Grossteil aller aktuell Elektroauto-Besitzer zutreffen.

Teslas Supercharger Netzwerk ist mittlerweile auch für Fremdmarken geöffnet
Teslas Supercharger Netzwerk ist mittlerweile auch für Fremdmarken geöffnet

Ladetarife – wo liegen wir heute preislich?

Ladetarife zu vergleichen ist mittlerweile fast tagesabhängig und da gibt es immer wieder positive und negative Ausreisser. Ich lade auswärts grösstenteils mit meiner Karte von Move und habe damit bei DC-Ladern üblicherweise einen Preis von 0.65 CHF/kWh. Hier zum Vergleich weitere Angebote:

  • Gofast Würenlos: 0.59 CHF/kWh
  • Tesla SuC für Nicht-Teslafahrzeuge: 0.61 – 0.68 CHF/kWh
  • Ionity mit WeCharge Free: 0.79 CHF/kWh

Ich denke zusammenfassend kann man sagen, dass der Spread rund 0.20 CHF pro kWh beträgt, bei AC Laden ist das etwa ähnlich und dürfte mit Einbezug des Auslands vielleicht sogar noch auf 0.25 CHF Differenz ausgedehnt werden. Im Artikel fokussiere ich aber klar auf Schnellladen und damit DC-Ladungen.

Der ID. Buzz bei Gofast in Horgen
Der ID. Buzz bei Gofast in Horgen

Wie oft lade ich denn auswärts?

Wir haben zwei Elektroautos und beide analysiere ich bis in die Tiefe dank dem Funktionsumfang von Tronity. Ich möchte hier vor allem die DC-Ladungen untersuchen, welche alle auswärts erfolgen und nicht daheim gemacht werden. Bei mir mit dem ID. 4 mit dem ich sehr viel unterwegs bin und auch immer wieder neue Schnelllade-Stationen ausprobieren, komme ich auf 25% Anteil. Bei Tronity kann ich das mit dem Schnitt aller Fahrzeuge der Community vergleichen, wo das offensichtlich bei 22% liegt. Ich bin in meinem Fall also über dem Durchschnitt, was Ladungen an DC-Stationen betrifft.

AC / DC Ladeverhältnis Elektroauto
AC / DC Ladeverhältnis Elektroauto

Auswertungen 2022

Im Jahr 2022 hatte ich total 805 kWh an Schnellladern nachgeladen. Das ist sicher über dem Durchschnitt, gerade bei Schweizern die eher weniger Strecken zurücklegen. Das zweite Elektroauto bei uns hat zum Vergleich bisher noch nie extern geladen, sondern alles zu Hause. Aber gehen wir von diesen 805 kWh aus, ergibt das externe Ladekosten von 480 bis 630 CHF. Also rund 150.- CHF Differenz über das ganze Jahr betrachtet. Ist dieser Betrag über ein Jahr hinweg relevant für den Betrieb eines Elektroautos? Spare ich nicht gerade mit dem bequemen Laden zu Hause und den grundsätzlich tiefen Betriebskosten gegenüber Verbrennern nicht schon genug ein, statt dass ich mich ab diesem Mehrbetrag echauffiere?

Mehrkosten bei einer Reise nach Italien

Als einfaches, praktisches Beispiel kann ich auch gut eine Reise von mir nach Italien vom letzten Herbst als Anhaltspunkt nehmen. Dort hatte ich Ladekosten von 96.- CHF auf dem Rückweg. Hier hatte ich im Schnitt ohne auf die Ladekosten zu achten, genau 0.70 CHF/kWh, würde ich hier die oben ermittelten Ladepreise einsetzen könnten diese zwischen 85 CHF und 103 CHF liegen. Also aufgerundet macht das auf einer Urlaubsreise mit 700km Reisestrecke eine Differenz von 20.- CHF aus. Gerade für Ferien mit dem Auto und allen Nebenkosten die sonst anfallen, finde ich diesen Betrag nicht entscheidend.

Ladestopp bei Free to X in Fiorenzuola
Ladestopp bei Free to X in Fiorenzuola

Was für mich wichtig ist…

Für mich zählt, vor allem bei längeren Reisen, eine stabile Ladeinfrastruktur mit einem abgerundeten Angebot um den Ladepunkt. Was meine ich damit?

Ich bezahle lieber einen hohen Preis pro Kilowattstunde, dafür erwarte ich eine performante und funktionierende Ladestation. Sprich ich kann die volle Ladeleistung die das Fahrzeug aufnehmen kann beziehen und stehe nicht vor einer schon länger defekten Säule. Wenn das Angebot um die Station mit sanitären Einrichtungen und Verpflegungsmöglichkeiten ausgerüstet ist, dann habe ich als Kunde einen Mehrwert. Je nach Wetter wäre eine Überdachung natürlich noch wünschenswert, wenn auch eher selten leider.

ENBW Ladehub in Unterhaching mit dem ID.4
ENBW Ladehub in Unterhaching mit dem ID.4

Fazit

Ja, es gibt Definitiv grosse Unterschiede was die externen Ladekosten beim Schnellladen betrifft. Von knapp 0.60 CHF bis hoch auf 0.79 CHF pro Kilowattstunde, das ist ein grosser Unterschied. Wenn ich das aber auf einen absoluten Betrag herunter breche, was mich das jährlich oder bei einer Urlaubsreise kostet, dann sehe ich das nicht so eng. Gerade bei Urlaubsreisen ist mir eine funktionale Ladeinfrastruktur mit guter Umgebung für eine kurze Pause mit der Familie viel wichtiger als hie und da ein paar Franken beim Laden zu sparen. Wie seht ihr das?

10 Comments

  1. Haug

    In Italien habe ich auch die sehr guten Free to X direkt an den Raststätten benutzt mit der Enel juicepass Karte und der Be Charge App. Für die lange Strecke nach Süditalien lohnten sich die Pakete von 320 und 250 kWh.

  2. Hansruedi Würsch

    Danke Hans für den realen Anteil der RW-Angst, der gössere Anteil der imaginären RW-ANGST stammt von denen die den Praxistest noch nicht gewagt haben.

  3. Jürgen Baumann

    Ganz ähnlich. Wir haben auch seit 2016 eine Ladewallbox. Das ist unproblematisch. Ausserdem gibt es in meiner Umgebung noch genügend Angebote zum Laden ohne Preis. Unterwegs – egal ob von Zürich nach Lissabon retour (5’428 km) oder mal am Nordkapp vorbeischauen (9’113 km hin und retour) – die verlässliche Ladeinfrastruktur unterwegs zählt. Ein Blick auf chargeprice.app kann dabei auch nicht schaden. Es gibt auch noch genug Hotels – die wir zuwieso ansteuern – , wo das Laden gratis oder moderat bepreist ist. Eigentlich wäre das Ziel – einfach einstecken und der Wagen lädt. Egal wo. Wie bei Fastned oder EnBW. Keine App – keine Kartenspiele – und auch kein Münzeinwurf. Das ist doch seit 10 Jahren Stand der Technik.

  4. mik

    Als e-Neuling stellt sich für mich immer die eine Frage: Braucht es x versch. Karten und Apps? Kann ich nicht einfach mit meiner Kreditkarte überall hin? Damit meine ich nicht Mengenpakete wie das Beispiel Italien sondern einfach im Alltag. Danke Euch!
    Nebenbei sehr spannender und augenöffnender Artikel!

  5. Jan

    Vielen Dank für den interessanten Beitrag. Tatsächlich bin ich Fahrer eines Benziners und auch von dem Thema Laden und dem unklaren Thema Kosten abgeschreckt.
    Ich kann an unserem Stellplatz nicht Laden (und vermutlich auch niemals) und wäre daher zu 100% auf externes Laden in Hamburg angewiesen. Dies geht auch vielen Nachbarn so, die mit mir in Hamburg Eimsbüttel wohnen. (Zum Rahmen: Hamburg Eimsbüttel wurde vor 1900 erschlossen, bevor es Autos gab, und ist sehr dicht bebaut mit 55.000 Einwohner auf 3,5km2)
    Ich habe aber kein Gefühl für die Kosten dabei. Könntest du mit deiner Erfahrung vielleicht deinen Artikel noch um so eine theoretische Idee erweitern?
    e-charging-hamburg.de zeigt die Ladesäulen, aber geht nicht in die Tiefe…

    • Jan

      Worüber ich auch gerade gestolpert bin: an den Säulen zahlt man direkt 0,44 €/kWh (AC) bzw. 0,50 €/kWh (DC) und einem Direct-Pay-Zuschlag in Höhe von 2,06 € (inkl. MwSt).
      Aber mit Vertrag von Hamburg Energie 49,90 Cent pro Kilowattstunde.

      Ist das immer so irreführend? Mit Vertrag teurer als ohne sollte man mehr als 10kwh laden und es ac laden ist. Bei so ist der Vertrag günstiger…

      • Gschwind

        Das ist leider meistens etwas verwirrend. Zumal es auch (immer noch) Anbieter gibt, die nicht nach geladener Kapazität, sondern nach Ladedauer berechnen (n Cent pro Minute) …
        Aber auch ohne eigene Wallbox wird das Ladeverhalten ähnlich werden: man hat seine bevorzugten Ladestationen (in der Nähe von Wohnung/Arbeit) und nutzt dort den jeweils optimalen Tarif. Wenn Du im Tarifwirrwarr mehr Durchblick haben willst würde ich https://www.goingelectric.de/stromtankstellen/ vorschlagen.

  6. oli

    Dito!
    Ich lade 90% zu Hause, und davon noch einen sehr guten Teil rein PV Strom.
    Wenn ich mal öffentlich lade, dann sind mit Zuverlässigkeit und die Umgebung (am Platz, Restaurant etc.) viel wichtiger als 5 EUR Kosten zu sparen. Und wer möchte, kann noch immer mittels ChargePrice und Ladefuchs APP den Karten-Tango spielen. 😉
    Für Laternenparker sieht die Welt allerdings sehr viel anders aus!

  7. Oli

    Man sollte die Kosten auch mal in Relation zum Benzin/Diesel sehen.

    Mich kosten 100km mit etwa 15kWh/100km Verbrauch
    von der PV Anlage CHF 0.70 (Gestehungskosten 4.5 Rp./kWh dank Solarbaugenossenschaft),
    im Niedertarif CHF 2.90 (EKZ 19.35 Rp./kWh)
    im Hochtarif CHF 3.55 (EKZ 23.66 Rp./kWh)
    und in Churwalden öffentlich CHF 9.75 (65 Rp./kWh)

    Ein Benziner mit 6 Liter Verbrauch bezahlt bei 1.80/Liter etwa CHF 10.80 pro 100km und das scheint ok zu sein. An der Autobahnraststätte nach Italien oder Spanien sind es dann 30 Rp. mehr, was anstandslos bezahlt wird. Wie Hans schreibt ist es einmal im Jahr ok, da man auf so langen Fahrten keine grossen Umwege für günstigeres Tanken/Laden machen möchte.

    Fazit für mich: Normalerweise viel günstiger als früher, im Worst-Case ähnlich teuer. 😉

  8. Thomas Bollinger

    Für mich geht es nicht darum, wie die Qualität der Säule und des Umfelds ist. Es geht darum, dass man am gleichen Ort zur gleichen Zeit an der gleichen Säule u.U. CHF 10 (also 20%-30%) mehr zahlt, weil man die «falsche» Karte verwendet. Das finde ich ärgerlich.

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