06. November 2022
4 Minuten zu lesen

Solarstrom zum Referenzmarktpreis verkaufen in der Schweiz: Das musst Du wissen

Die meisten Besitzer von Photovoltaik-Anlagen in der Schweiz kannten bisher meistens nur die Möglichkeit, den überschüssigen Solarstrom dem lokalen Elektrizitätswerk abzutreten. Spätestens seit CKW damit Werbung macht, dass sie Solarstrom aus der ganzen Schweiz einkaufen, macht das Thema die Runde. Ich möchte hier gerne einige Grundlagen dazu erläutern und vor allem auch aufklären, was man dabei beachten muss.

Rücklieferung PV-Strom

Der lokale Energieversorger ist verpflichtet, den PV-Strom von Kleinerzeugern abzunehmen. Die meisten Leser aus der Schweiz werden genau in diesem Modell für die eingespiesene Energie der eigenen PV-Anlage entschädigt. Die eingespeisten Energiemengen werden zum jeweils geltenden Rückspeisetarif des lokalen Energieversorgers abgerechnet. Dieser wird auch auf Ende August jeweils für das nächste Jahr kommuniziert und gilt dann für ein Jahr.

Nun vergüten einige Energiversorger nach dem Referenzmarktpreis, namentlich haben hier BKW und CKW schweizweit durch hohe Rückliefertarife für Furore gesorgt. Nun kann man seinen Überschuss auch Direktvermarkten, das zeigt der nächste Abschnitt:

Wie funktioniert das Referenzmarktpreis-Modell überhaupt?

Der Referenzmarktpreis wird vom Spotpreis bestimmt. Diese sind beispielsweise bei EEX.com einsehbar oder vereinfacht dargestellt bei Bricklebrit. Bei den meisten Vergütungsmodellen nach dem Referenzmarktpreis, wird der gemittelte Tagespreis während einem Quartal als Wert verwendet. Daher wird der Preis den man erhält, auch jeweils erst auf das Ende des Quartals kommuniziert. Wenn man also auf eine Vergütung nach dem Refenzmarktpreis strebt, muss man damit rechnen, dass der Preis immer erst im Nachgang klar ist. Ein Blick auf die Marktpreise lohnt sich also. Der Referenz-Marktpreis wird vom Bundesamt für Energie (BFE) quartalsweise berechnet und publiziert. 

Ich habe hier die Entwicklung des Marktpreises seit Anfang 2018 aufgezeigt. Deutlich wird hier, dass die Direktvermarkt erst seit Q3/2021 interessant wurde:

Wie kann ich wechseln?

Voraussetzung für die Vermarktung einer PV-Anlage ist eine Lastgangmessung mit automatischer Datenübermittlung. Das heisst, der verbaute Smart Meter / Stromzähler muss diese Möglichkeit bieten. Das gilt es vorab mit dem lokalen Verteilnetzbetreiber abzuklären. Häufig verfügen PV-Anlagen von Eigenheimen noch nicht über einen lastgangfähigen Zähler. So ist das auch bei mir der Fall.

Wenn die oben genannte technische Voraussetzung erfüllt ist, kann ein Wechsel auf Quartalsende erfolgen. Wenn man wieder zurück zum lokalen  Verteilnetzbetreiber möchte, ist das auch wieder auf ein Quartalsende möglich, der lokale Betreiber ist verpflichtet den überschüssigen Strom abzunehmen.

Beispielrechnung

Ich nehme als Beispiel meine PV-Anlage und die Daten von diesem Jahr. Das Jahr ist noch nicht durch, aber bald beginnen die «drei PV-schwächeren Monate» und viel Energie werde ich nicht mehr einspeisen. In dieser Zeit nutze ich den produzierten Strom fast komplett im Eigenverbrauch.

Stand heute steht bei mir aufgerundet 9800kWh auf dem Zähler. Ich bin insofern ein gutes Beispiel, weil unser Energieversorger den HKN nicht abnimmt und schweizweit sehr tiefe Vergütungen bezahlt. Da noch mit Hoch- und Niedertarif gerechnet wird, nehme ich das Mittel von 7.5 Rp./kWh. Damit werde ich rund 735 CHF Vergütung für das Jahr 2022 erhalten. Nach dem Referenzmarktpreis wären es knappe 3000.- CHF. Das ich dieses Jahr gerne nach dem Referenzmarktpreis vergütet worden wäre, versteht sich von selbst.

Abnehmer von Solarstrom in der Schweiz

Ich habe hier eine Liste von Abnehmern von Solarstrom in der Schweiz begonnen, ich werde hier gerne weitere Abnehmer nachtragen. Die Reihenfolge ist alphabetisch.

CKW

  • Abnahmepreis: Referenzmarktpreis – 8 Rp/kWh
  • Kosten: 8 Rp/kWh (neu variabel)

Fairpower

  • erst ab 30kWp möglich

Flecopower

  • Abnahmepreis: Referenzmarktpreis
  • Kosten: Einmalig 350.- CHF pauschal für den Wechsel
  • Link zu Flecopower

Overflow

  • Abnahmepreis: Referenzmarktpreis
  • Kosten: 0.04 CHF pro Kilowattstunde
  • Einschränkungen: Bei einer Vermarktung von weniger als 15’000 kWh/Jahr fällt eine zusätzliche Gebühr von CHF 300 pro Anlage an.
    Feste Vertragslaufzeit von 12 Monaten ab Beginn der Vermarktung. Nach Ablauf der Vertragslaufzeit automatische Verlängerung um jeweils weitere 3 Monate. Die Kündigungsfrist beträgt 2 Monate auf Ende eines Quartals.
  • Link zu Overflow

Renewable Energy Exchange

  • Abnahmepreis: «definierten Solarpool-Tarif»
  • Einschränkungen: Beitritt und Ausstieg sind vierteljährlich auf flexibler Basis anpassbar. Die Vertragszeit beträgt dabei mindestens 12 Monate.
  • Link zu REX

Smart Energy Link

  • Abnahmepreis: Auf Anfrage
Umsetzung auf dem Ostdach mit 2 Dachgauben
Umsetzung auf dem Ostdach mit 2 Dachgauben

Was ist mit dem HKN?

Die Abnahme und Vergütung von Herkunftsnachweisen (HKN) ist je nach lokalem Energieversorger unterschiedlich. Wer ins Referenzmarktmodell wechsel, muss den HKN selbst vermarkten. Da mein Versorger den HKN nicht abnimmt, habe ich dort schon einige Jahre Erfahrung und vermarkte diesen selbständig auf der Ökostrombörse.

Fazit und Empfehlung

Da man mit dem Wechsel ins Referenzmarktmodell direkt den Marktpreisen für Energie ausgesetzt ist, befindet man sich vereinfacht gesagt an der «Börse». Entsprechend gebe ich hier keine Empfehlung ab, was man tun soll und was nicht. Wichtig aus meiner Sicht: Man sollte die Grundmechanismen kenne und verstehen wie der Referenzmarktpreis entsteht, dann muss man das Risiko für sich selbst abschätzen und dazu die Vergütung des lokalen Abnehmers für 2023 gegenüberstellen.

Auch hier eine kurze Beispielrechnung: Mein lokales EW bietet für 2023 einen Abnahmepreis 14 Rp./kWh, wenn ich das CKW-Modell in Betracht ziehe, muss der Referenzmarktpreis im Jahresmittel bei 22 Rp./kWh liegen, damit sich ein Wechsel lohnt.

11 Comments

  1. Dario

    Hallo

    Danke für Deine Arbeit, die Du in diesen Blog steckst. Ich bin seit langer Zeit ein stiller Leser. Nächstes Jahr kommt bei uns die Wärmepumpe und Solaranlage.

    Gibt es Statistiken/Erfahrungswerte über einen längeren Zeitraum, was attraktiver wäre?
    Ggf. wäre das eine Marktlücke für Dich oder Comparis hier ein Vergleichsportal aufzubauen 😉
    Den ersten Besucher hättest Du auf sicher!

      • Dario

        Sorry, da war ich undeutlich.
        Es gibt Grafiken wie sich Libor/Saron im Vergleich zu Festhypothek in der Vergangenheit entwickelt. Dies kann helfen, die Lage abzuschätzen. So etwas wäre bei der Einspeisevergütung cool.

        Bei WP und PV entscheiden bei mir Lieferzeiten und Baubewilligung, was das Rennen macht 😉

  2. Oli

    Noch eine Ergänzung zum Smart Meter
    Gemäss Art. 31e Abs. lit b. muss seit dem 1.1.2018 bei jeder neu installierten PV Anlage (oder BHKW, Wind, …) ein Smart Meter installiert werden. Bei Anlagen die früher installiert wurden, kann es aber bis Ende 2027 dauern. Die Messkosten dürfen den Produzenten übrigens nicht in Rechnung gestellt werden.

    @Dario
    Ich bin seit langem in der Energiebranche tätig und im Moment verändert sich alles in nie gekanntem Tempo. Solange das Gesetz nicht ändert, kann man aber nach jedem Quartal zurück zum lokalen VNB. Man könnte also für 2023 wechseln und auf den 1.1.24 zurück, wenn die lokalen Vergütungen steigen.

  3. iMate

    Hi Hans,

    einmal mehr ein super interessanter Beitrag. Gibt es irgendwo noch mehr Informationen, wie man den Herkunftsnachweis genau vermarktet und welche Informationen dazu benötigt? Bis anhin hat das wohl unser Energieabnehmer für uns gemacht, aber wir würden gerne den Vorschlag von dir probeweise einmal für ein Jahr Umsetzen.

  4. Rüdiger Siegrist

    Mein Kommentar zu diesem Blogbeitrag ist, dass es sich um eine ausgezeichnete Ressource für alle handelt, die beim Verkauf von Solarenergie auf das Referenzmarktmodell umsteigen wollen. Hans, der Autor, hat in hervorragender Weise die Grundlagen dieses Prozesses erläutert, einschließlich der Notwendigkeit einer Lastprofilmessung, des durchschnittlichen Tagespreises während eines Quartals und der Kostenvorteile eines Wechsels zu diesem Modell. Darüber hinaus beschreibt Hans, wie man Energiegutschriften (HKN) selbständig vermarktet, und gibt ein wertvolles Beispiel für seinen persönlichen Weg. Alles in allem ist dieser Blogbeitrag ein hervorragender Ausgangspunkt für alle, die mehr über das Referenzmarktmodell erfahren und darauf umsteigen möchten.
    Danke noch einmal für den Artikel 🙂

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