28. März 2022
4 Minuten zu lesen

Bidirektionales Laden des Elektroautos: Das muss man wissen

Das bidirektionale Laden von Elektroautos beherrscht die letzten Wochen wieder viele Medien und Social Media Kanäle. Einerseits natürlich wegen der Ankündigung von Volkswagen und andererseits auch weil das Interesse für erneuerbare Energie stetig wächst. Leider gibt es aber auch sehr viel Falschinformation, einerseits was kompatible Fahrzeuge betrifft und andererseits die unterschiedlichen Anwendungsfälle. Dieser Artikel soll die grundlegenden Begriffe und Fälle klären:

V2G, V2H oder V2L: was bedeutet das?

Der Begriff «bidirektionales Laden» sagt eigentlich aus, dass die Fahrzeugbatterie als Zwischenspeicher für elektrischer Energie genutzt wird. Sprich das Auto wird auch entladen, anstatt nur geladen wie man es bisher kann. Die Entladung des Fahrzeugs kann in verschiedene Fälle unterteilt werden, die da wären V2H, V2G und V2L, die ich nachfolgend gerne erläutere…

Der ID.4 soll zukünftig bidirektional Laden können, über eine DC-Station
Der ID.4 soll zukünftig bidirektional Laden können, über eine DC-Station

V2X: Der Überbegriff

V2X bedeutet Vehicle-to-Everything. Das beinhaltet viele verschiedene Anwendungsbeispiele die im Detail alle folgen:

V2H: Vehicle-to-Home

Das ist der Fall den die meisten EFH-Besitzer und Firmen interessieren dürfte: Das Fahrzeug dient hier als Batteriespeicher zu Versorgung des Gebäudes wenn die Sonne nicht scheint oder für Peak-Shaving um hohe Lastspitzen zu brechen. Diese Anwendung wird mit einem HEMS (Home Energy Management System) wie dem Solar Manager aufgebaut, welche die Energieverteilung im Haus nach Wunsch des Besitzers regelt. Wie das einfach und geregelt schon heute funktioniert, zeigt dieser Artikel.

Bidirektional Laden mit Solar Manager
Bidirektional Laden mit Solar Manager

V2L: Vehicle-to-Load

Den typischen V2L Anwendungsfall bietet die E-GMP Plattform von Hyundai an. Dazu gehören der Kia EV6, Genesis GV60 und der Hyundai Ioniq 5. Über einen Spezialadapter den man an die Typ 2 Buchse am Fahrzeug anschliesst, können Geräte direkt mit 230V versorgt werden. Vehicle-to-Load ist typischerweise ein einfacher Wechselrichter für die Versorgung von Endgeräten. Dieser kann aber nicht netzparallel betrieben werden, damit eine reine «Insellösung» für die direkte Nutzung von Verbrauchern. Hier auch ein Beispiel, wie ich mit dem Genesis einen ID. 4 geladen habe.

Vehicle to Load (V2L) am Ioniq 5 getestet
Vehicle to Load (V2L) am Ioniq 5 getestet

V2G: Vehicle-to-Grid

Bei der Vehicle-to-Grid Technologie dient das Elektroauto nicht der Versorgung eines Gebäudes, sondern die Entladung wird gezielt ins Netz zurückgespiesen. Hier wird das Fahrzeug basierend auf unterschiedlichen Faktoren aufgeladen oder entladen um das Stromnetz zu stabilisieren. Noch ist V2G ein projektbasiertes Geschäftsmodell, das in den kommenden Jahren an Relevanz aufnehmen wird.

V2B: Vehicle-to-Buiding

Der Fall entspricht eigentlich dem V2H-Fall mit dem Unterschied das hier mehrere Fahrzeuge ein «grosses Gebäude» mit mehreren Parteien mit Strom versorgt. Entweder zur Autarkie-Erhöhung oder um Lastspitzen zu brechen Lastspitzen abdeckt – sogenanntes «peak shaving».

Einfache Integration in das Home Energy Management System von bidirektionalen Ladestationen
Einfache Integration in das Home Energy Management System von bidirektionalen Ladestationen

Fahrzeuge die bidirektionales Laden ermöglichen

Es gibt aktuell auf dem Markt nur sehr wenige Fahrzeuge, welche bidirektionales Laden zulassen. Deswegen hier die aktuelle Liste von Fahrzeuge, welche die Möglichkeit anbieten (Stand April 2022):

  • Nissan Leaf und e-NV-200 (CHAdeMO)
  • Mitsubishi i-MiEV, Outlander und Eclipse Cross (CHAdeMO)
  • Peugeot iOn und Citroën C-Zero (CHAdeMO)
  • Honda e (CCS)

Angekündigt:

  • VW ID.-Fahrzeuge mit 77kWh Akku und Softwarestand 3.1
Der Nissan Leaf ist schon heute bidirektional nutzbar
Der Nissan Leaf ist schon heute bidirektional nutzbar

Bidirektional über DC oder AC?

Wer aktuell und wahrscheinlich auch in den nächsten Jahren über bidirektionales Laden spricht, der redet von einer DC-gekoppelten Ladung und Entladung. Aktuell haben die meisten Elektroautos keine verbaute Hardware um AC-seitig auch entladen zu können. Eine Meldung zu dem Thema, das Tesla dies bereits verbaut stellte sich als Falschmeldung heraus. Daher ist Stand heute und auch was man von geplanten Projekten weiss, immer eine DC-Ladestation nötig. Diese kosten im Vergleich zu AC-Ladestationen noch ein vielfaches…

Eine Ausnahme stellt die E-GMP Plattform von Hyundai dar. Dort wird das bidirektionale Projekt bei „We Drive Solar“ in Utrecht über AC für V2G getestet. Aktuell sind das Ioniq 5 Serienfahrzeuge ohne HW Modifikationen, nur mit spezieller Firmware. Die grösste Hürde bei AC-seitigem Entladen ist die Frage nach den Gridcodes.

Wird der ID. Buzz zum Treiber von bidirektionalem Laden?
Wird der ID. Buzz zum Treiber von bidirektionalem Laden?

Fazit

Das sich Elektromobilität durchsetzt bei PKWs ist mittlerweile eigentlich keine Frage mehr. Das sich Elektroautos in Zukunft auch als Speicher und damit zentrales Element für die Energiewende nutzen lassen, das verspricht viel für die Zukunft. Von Seiten Elektrizitätsversorger braucht es noch auch noch Effort um genau das zu ermöglichen. Für einfache Vehicle to Home Anwendungen daheim, steht aber nicht mehr viel im Weg. Der hohe Anschaffungspreis und die aktuell noch geringe Kompatibilität von Fahrzeugen schrecken noch etwas ab, was sich aber in den nächsten Monaten hoffentlich bald ändert…

19 Comments

  1. Marco

    Hallo Hans,
    wieder mal ein interessanter Artikel von Dir, danke.
    Welche DC Ladestation und welches E-Auto habt Ihr bei Solar-Manager getestet?
    DC Ladestationen gibts glaub nicht viele und sind ein vielfaches teurer sodass man doch einiges an Zusatzaufwand hat um die Lösung V2H zu realisieren.

    Gruss
    Marco

  2. Lukas

    Ist bidirektionales Laden nicht wahnsinnig schlecht für den Akku? Gibt es dazu Berichte? Die Entwertung des Akkus sollte man doch pro KWh berechnen können.

    • Thomas

      Manche Fahrzeuge benötigen mehr als 20 KW pro Std. Soviel wird in manchen Haushalten die ganze Woche nicht benötigt, die Belastung wäre so gerechnet 24×7 =168 mal geringer. Bei Verwendung von Durchlauferhitzer, Klimaanlage, Trockner, Wärmepumpen sieht es natürlich anders aus, das wird dann nicht gehen.

  3. Gerold Harrer

    Hallo Hans,
    Wäre es möglich deinen Varta Speicher statt mit der PV auch mit der V2L Funktion eines Kia ev6 zu laden? Angegebene Entladeleistung 3,6 kw/h.
    Wäre vor allem von November bis März interressant wenn man den Fahrstrom auch noch deutlich günstiger als den Netzstrom beziehen kann.
    Danke für den informativen Blog

  4. Fabian Bucher

    Hallo
    Gibt es keine Lösung, in dem man ein E-Auto welches V2L kann, trotzdem bidirektional ans Hausnetz anbinden kann?

    • Hans

      Parallel zum Netzbetrieb nicht.

      Was natürlich geht: Du kannst die Sicherungen zum Netz rausdrehen und dann über das Auto eine Phase deines Heims versorgen, reiner Inselbetrieb. Aber das ist keine Anleitung oder Rat, sondern nur ein Hinweis wie es gehen würde 😉

  5. Vanessa

    Hallo

    Vielen Dank für den informativen Blog. Ich bin totale Elektrolaie und habe viel dazugelernt. Allerdings beantwortet er für mich eine relevante Frage nicht: Wenn ich heute ein E-Auto kaufe, kann dieses einfach umgerüstet werden für V2B oder V2G? Ist das eine reine Firmwaregeschichte oder muss noch was Zusätzliches umgebaut werden? Wir haben eine Solaranlage auf dem Dach und ich würde mittelfristig gerne ein Auto als Batterie nutzen können, habe aber noch kein E-Auto. Mein Diesel wird es nicht mehr so lange machen… Danke für eine Antwort.

  6. Fabian Bucher

    Das Problem bei deinem Vorhaben ist, das 1. nur wenige Bidirektionaltauchliche Fahrzeuge auf dem Markt verfügbar sind und 2. eine Bidirektionaltaugliche Wallbox sehr teuer ist (Fr. 10’000.- bis 15’000.-) Somit relativ unwirtschaftlich.

    • Vanessa

      Ja, momentan ist es noch unwirtschaftlich. Aber evtl. ja eines Tages nicht mehr. Aber ich möchte dann nicht nochmals ein neues Auto kaufen, sondern möglichst jetzt eines, dass man dann einfach umrüsten kann bzw. das war ja meine Frage: Ist es eine reine Firmwaregeschichte oder muss beim Auto noch aufwendig was nachgerüstet werden? Bspw. bei meinem Favorit IONIQ 5? Die Ladestationen werden hoffentlich dann auch günstiger, da würde ich halt eine neue dann installieren und bis dahin auf ein günstiges 1-Weg Modell setzen.

  7. Michael Heck

    Wäre es möglich ein eAuto über DC an einen E3DC Speicher mit Solarkabel und MC4 Stecker anzuschließen? Dann könnte man doch Wandlungsverluste DC/AC vermeiden.
    Wahrscheinlich bräuchte man dann aber noch etwas Regeltechnik um auf die maximale Eingangsleistung des Speichers zu begrenzen?
    Oder macht das die E3DC schon selbst, z.B. falls zu viel Sonne scheint ?

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