18. Januar 2020
6 Minuten zu lesen

Elektromobilität: Mythen, Fakten und Know-How zu E-Mobility im Überblick

Ladestation Raststätte Grauholz vor Bern: e-Golf mit 50kW aufgeladen

Bei Diskussionen um die Elektromobilität, sei es online oder offline mit Bekannten, stelle ich immer wieder eines fest: Viel Energie wird auf Seiten von Befürwortern und Zweiflern aufgewendet um Fakten zu klären oder Mythen zu widerlegen bzw. zu bestätigen. Da ich schon zahlreiche Elektroauto testen durfte und darüber berichte, bin ich da natürlich auch immer gefragt. Nachdem ich das mehrmals selbst miterleben durfte und in auch zahlreichen Diskussionen immer wieder versuche einiges zu klären, was so nicht stimmt, habe ich mir vorgenommen alles in einem Beitrag zu verarbeiten. Danke all jenen, die sich auf Twitter engagiert haben, mit Fragen und Antworten, rund um das Thema E-Mobility. Der Blogbeitrag wird auch ständig noch erweitert und kann mittels der Kommentarfunktion auch aktiv belebt werden, wirkt also einfach mit.

«Elektroautos sind nicht sauberer als Verbrenner!»

Gleich das kritischste Votum zu Beginn, nämlich das die CO2-Bilanz eines Elektroautos schlechter sei als jene eines Verbrenners. Den ausführlichsten und in meinen Augen einen der besten Artikel zum Thema liefert die Wirtschafts Woche. Die wichtigste Erkenntnis gemessen am Strommix in Deutschland, welcher bezüglich CO2-Ausstoss massiv schlechter ist als jener in der Schweiz, ist folgende: Das Elektroauto stösst in der Nutzung massiv weniger Schadstoffe aus. Für die Produktion des Fahrzeugs, vor allem die Batterie gibt es zahlreiche Angaben. Nimmt man von diesen Studien einen Mittelwert gibt es folgende Schlussfolgerung:

«Bereits nach etwa drei Jahren oder 45.000 Kilometern fahren E-Autos insgesamt klimafreundlicher als Diesel oder Benziner. Danach ist jeder gefahrene Kilometer mehr ein Dienst am Klima…»

Rechnet man das nochmals für den Schweizer Strommix aus, sieht die Rechnung nochmals besser aus. Wie ich hier auch schon berichtet habe, gerade in Zusammenspiel mit einer eigenen PV-Anlage sind Elektroautos sehr umweltfreundlich zu betreiben.

Nissan Leaf II am Laden an der Keba Wallbox über Typ 2 Kabel

Nissan Leaf II am Laden an der Keba Wallbox über Typ 2 Kabel

«Wenn alle mit Elektroautos rumfahren, haben wir nicht genug Strom.»

Eine der gängigen Aussagen in Bezug auf Elektroautos, das der Strombedarf massiv steigen würde und wir das nicht abdecken können. Hier kursieren auch fälschliche Videos im Netz wo Leute berechnet was passieren würde wenn 1 Mio Elektroautos mit 300kW an Schnellladern stehen würden. Das solche Szenarien unrealistisch sind Autos in 95% der Fallen langsam AC geladen werden, kann nicht jedem Laien bewusst sein. Was man bei der Betrachtung oft vergisst und übersieht, Verbrenner brauchen enorm viel an Graustrom bis das Benzin oder Diesel im Fahrzeug landet. Laut einer Anfrage des Department of Energy in den USA von 2009 werden in einer Raffinerie rund 1,585kWh Strom für die Erzeugung eines Liters an Kraftstoff benötigt. Mit dem e-Golf brauche ich rund 16kWh/100km, mit einem Golf mit Verbrenner-Motor alleine mehr als 9kWh/100km (bei 6L/100km Verbrauch) bis überhaupt das Benzin im Tank ist. Der zusätzliche Energiebedarf ist massiv kleiner als man meint.

BMW i3 beim Laden

BMW i3 beim Laden

«Wasserstoff-Autos werden die Lösung, Batterien sind eine Übergangstechnologie»

Mit diesem Statement schlage ich mich oft rum. Irgendwie auch verständlich, Wasserstoff als Energiespeicher klingt natürlich besser als ein Akku der erst noch produziert werden muss. Dazu hat das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH die Studie «Klimabilanz von ­strombasierten Antrieben und ­Kraft­stoffen» erstellt, welche aufzeigt das batterielektrische Fahrzeuge die geringe Umweltbelastung aufweisen. Einen grossen Einfluss auf die Klimabilanz hat insbesondere die Wasserstoffbereitstellung. Gemäss der Untersuchung verursacht ein Fahrzeug der Kompaktklasse mit Brennstoffzelle und elektrolytisch hergestelltem Wasserstoff nach einer Fahrleistung von 150’000km rund 75% mehr Treibhausgase als ein batterieelektrischer Pkw. (via)

Der Audi e-tron an einer Ionity Ladesäule

Der Audi e-tron an einer Ionity Ladesäule

Kobalt-Abbau und andere seltene Erden braucht das Elektroauto

Definitiv ein heikles Thema, da bin ich bei all den Kritikern. Aber hier muss man mit gleichen Ellen messen, schliesslich wird auch für Verbrenner Kobalt genutzt zum Härten von Nockenwellen, Kolben und Pleuel. Hier scheint man einfach Gründe zu suchen, die gegen den Akku sprechen, bei Smartphones ist der Rohstoff-Abbau bei vielen Leuten nämlich kein Thema. Wichtig ist das hier die Entwicklung ständig weiter geht und eine hohe Recyclingquote erreicht wird. Dazu ein Statement von VW:

Rohstoffe sind ausreichend vorhanden. Mit den vorhandenen Lithium-Vorkommen ließen sich nach heutigem Stand der Technik bereits Batterien für Milliarden E-Autos produzieren. Zudem werden die Batterien ständig weiterentwickelt. So soll zum Beispiel der Anteil an Kobalt mittelfristig von rund zwölf auf sechs Prozent gesenkt werden. Die Rohstoffversorgung stellt also kein Problem dar. Und: Alte Batterien werden wiederverwendet. Langfristig ist eine Recyclingquote von bis zu 97 Prozent möglich. Seltene Ressourcen werden also immer weniger benötigt.

Lithium ist eh bald alle

Lithium ist eh bald alle

«Akkus sind Schrott nach wenigen Jahren»

Ein weit verbreiteter Irrglauben ist auch, dass Akkus in Elektroautos nach wenigen Jahren ausgetauscht werden müssen. Dem ist natürlich nicht so, wie ein Tesla Fahrer mit mittlerweile über 1’000’000km auf dem Zähler bewiesen hat. Der aktuell verbaute Akku mit fast einer halben Million Kilometer hat noch eine satte Restkapazität von 86%.

«Der erste Akku musste nach 290.000 Kilometern getauscht werden. (Schon diese Zahl ist übrigens ein völlig ausreichender Wert, weil das durchschnittliche deutsche Auto bereits nach 150.000 km verschrottet wird.) Für die folgenden 250.000 Kilometer fuhr er dann mit einem Leih-Akku von Tesla, seit Kilometerstand 540.000 ist der aktuelle Akku drin, dieser hält also mittlerweile fast eine halbe Million Kilometer. «

Wenn einmal die Restkapazität nicht mehr für das Elektroauto reichen sollte, können die Akkus als Pufferspeicher bei Ladestationen, für Peak-Shaving oder auch als Hausspeicher genutzt werden. Das ist problemlos noch einige Jahre möglich und erst danach muss der Akku rezykliert werden. Ich würde behaupten der Lebenszyklus eines Akkus im Elektroauto ist beachtlich lang, hat ein Zweitleben und kann mittlerweile schon bis zu 97% rezykliert werden.

Batteriespeicher aus alten BMW i3 Akkupacks

Batteriespeicher aus alten BMW i3 Akkupacks

«Elektroautos sind einfach noch zu teuer»

Auch das ist so nicht ganz richtig, der Anschaffungspreis ist zwar meistens höher als bei vergleichbaren Verbrennern, rechnet man aber die Gesamtkosten sieht es anders aus. Die Gesamtkosten nennt man oft auch TCO (Total Cost of Ownership) und darin werden eben die Kosten des Fahrzeugs als ganzes abgebildet. Namentlich sind das Kosten für Treibstoff bzw. Strom, Versicherung, Verkehrsabgaben, Unterhaltskosten, Reifen und Abschreiber. Elektroautos punkten dank enorm tiefen Wartungskosten und günstigerem Strom anstelle von Treibstoff. So sind Elektroautos je nach Modell über einen Zeitraum von 5-10 Jahren eigentlich immer die günstigere Variante. Beim aktuellen Trend würde ich sogar behaupten, dass in 3 Jahren Verbrenner einen Wertverlust erleiden und Wiederverkaufswerte von Elektroautos stabiler bleiben.

Jaguar I-Pace

«Die Ladeinfrastruktur ist ungenügend»

Höre ich oft und ist definitiv nicht so. Hier wird ständig mehr gebaut und wie die Zulassungszahlen von Eleketroautos steigen, steigen eben auch die Anzahl Ladepunkte. Wichtig ist bei dieser Argumentation vor allem eines: Das Auto steht beim durchschnittlichen Schweizer 95% der Zeit herum, also da ist genug Zeit um zu Laden. Sei diese daheim, beim Arbeitgeber, beim Einkauf oder einem Ausflug. Arbeitgeber werden auch je länger je mehr Ladepunkte anbieten und damit die tägliche Nutzung des Elektroautos problemlos möglich machen. Für das Netz von Schnellladestationen entlang der Autobahnen ist schon viel getan, Raststätten sind bereits die Meisten ausgerüstet und das ASTRA hat auch für die Rastplätze Aufträge rausgegeben. Ich bin mit Elektroautos schon quer durch die Schweiz und auch nach Deutschland gefahren, das funktioniert.

Weiterführende Informationen zu Elektromobilität

12 Comments

  1. Fips

    Eine gute Zusammenstellung! Ich fahre selbst ein Elektroauto allerdings in Österreich und beschäftige mich viel mit diesen Themen, sowie Umweltschutz im Allgemeinen und kann nur zustimmen! Gute Arbeit!

  2. Markus Bossert

    Bzgl. Vergleich der Ökobilanz scheinen hier gewaltig halbe Äpfel mit ganzen Birnen vergleichen worden zu sein.
    Wenn man bei allen 3 Technologien (Elektro, Verbrenner, H2) die Lebenszyklusanalyse macht, kommt der Elektroantrieb für die meisten Anwendungen zweifellos am besten weg.
    Wenn man nur die reinen Emissionen während des Fahrens beim Verbrenner mit den Emissionen des ganzens Lebenszykluses eines überdimensionierten Elektroautos vergleicht, kann man schon schlechtes Ergebnis erhalten, was jedoch völlig absurd ist.
    Wenn man hingegen beim Verbrenner auch alle Emissionen einrechnet (Öl-Förderung, Raffinerie, Transport, Öl-Havarien, Bau & Unterhalt von Pipelines und Tankerschiffen, Tankstellen, etc) und natürlich auch das Recycling des CO2 und beim eAutos einen für die Nutzung vernünftig grossen / kleinen Akku nimmt, sieht die Sache noch viel deprimierender aus für den Verbrenner, als in den meisten wissenschaftlichen Studien gezeigt wird.
    Wenn man beim Elektroantrieb schon die ganze Wahrheit auftischt, dann darf man sich auch beim Verbrenner nicht nur mit der halben Wahrheit zufrieden geben.
    Übringes, alleine der Energieaufwand, welchen es für die Bereitstellung des Benzins braucht bis zur Tanksäule, mit diesem kann man bereits elektrisch fahren. Denn der Elektromotor hat einen Wirkungsgrad von über 90%. Beim Verbrenner kommt hingegen kaum 20% der getankten Energie an der Antriebswelle an, weil über 80% als Abwärme verloren gehen (Strassenbetrieb, nicht Labor). Mich würde es ja nur schon fuxen, 100 Fr. zu tanken und zu wissen, dass davon keine 20 Fr. nutzen kann.
    Der beste km ist natürlich stets der nicht gefahren km.

  3. Konrad S.

    Was kostet, denn eigentlich das Laden eines E-Autos? Nehmen wir zum Beispiel an Auto mit 50 kWh Kapazität.
    Wie ich im Netz gesehen habe varieren die Preise der Ladestationen auch enorm.

  4. Lothar Degen

    Das hängt ganz davon wo du lebst, wenn du zu Hause tankst, oder welchen Anbieter ich untwegs nutze.

    Es gibt, zumindest in der CH auch Möglichkeiten vollständig kostenlos zu laden, z.Bsp. bei vielen lidl, Migros oder Ikea Parkplätzen.

    So oder so, wenn ich eine Gesamtkosten Rechnung mache, komme ich bei vielen e-Fahrzeugen auf einen günstigeren km Preis als bei vergleichbaren Verbrennern.

  5. Lothar Degen

    Als e-Fahrer werde ich auch oft auf diese angeblichen «Nachteile» der e-Mobilität angesprochen. Häufig höre ich auch, wenn die Deutschen kommen, dann kann Tesla und Co. einpacken, ich warte noch ab. OK, das kann man machen. Ansonsten bin ich vor allem mit dem Mythbuster von Rotta sehr gut gefahren, das Dokument geht auch sehr in die Tiefe der Materie.

    Hier in jedem Fall eine sehr gute Zusammenfassung der wichtigsten Punkte!

    Noch ein paar Anmerkungen:

    “Wasserstoff-Autos werden die Lösung, Batterien sind eine Übergangstechnologie”
    Hier sehe ich im wesentlichen drei wichtige Punkte die nicht erwähnt werden:
    1. Der Wirkungsgrad der Wasserstoff/Brennstoffzellen ist zwar besser als beim Verbrenner, verglichen mit einem BEV ist dieser aber immer noch viel schlechter.
    2. Wasserstoff/Brennstoffzellen Fahrzeuge benötigen auch Akkus
    3. Begebe ich mich bei dieser Technologie wieder in eine Abhängigkeit Herstellern (Wasserstoff) ähnlich wie bei der Verbrennertechnologie. Elektrische Energie kann aber von vielen zu sehr günstigen Preisen selber hergestellt werden.

    «Kobalt-Abbau und andere seltene Erden…»
    Kobalt und Lithium sind keine seltenen Erden https://de.wikipedia.org/wiki/Metalle_der_Seltenen_Erden

  6. Hansueli

    sehr gute Zusammenstellung.. ich würde ergänzen wollen, das für mich in Zukunft es nicht die EINE oder ANDERE Lösung exklusiv geben wird. Vielmehr glaube ich daran das die Varianten «Wasserstoff», «E-Auto», «Verbrenner» bedarfsorientiert pro «Branche», «Stadt» oder «Land» etc.. ihren Einsatz finden werden… und dieses Umdenken immer wieder völlig ausgeblendet wird… jeder versucht hier die EINE Lösung zu haben oder zu bevorzugen… die wird es aber nicht mehr geben… weil Mobilität auch immer individueller wird und ist…. soviel meine Überzeugung.

    Uebrigends bin ich seit nun 18 Mon. e-Golf Fahrer und habe den von Hans beschriebenen «95%» Fakt ziemlich gut «ausgeschöpft» indem ich von den jährlich 13500 gefahrenen Kilometern 10800 Kilometer ausschliesslich gesteuert daheim via der PV Anlage laden kann…. und somit ganz nebenbei wesentlich schnelle meine PV amortisiere..

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