Wer bisher ein Elektroauto in Betracht gezogen hat, der durfte sich zwischen zwei grossen Faktoren entscheiden: Entweder man bezahlt den «horrenden» Preis für einen Tesla mit massig Reichweite oder man wählt eines der günstigere Modelle und muss sich aber mit deutlich weniger Reichweite zufrieden geben. Das wirklich erste Modell auf dem Markt, welches damit aufräumt, ist der neue Opel Ampera-e, welchen ich in Oslo testen durfte.
Da steht mein Testwagen: Opel Ampera-e
Highlights und Eckdaten des Opel Ampera-e
- Reichweite in Kilometer: 520km (NEDC) bzw. 380km nach WLTP (später mehr dazu)
- 60kWh-Lithium-Ionen-Batterie mit 288 Zellen
- 150kW beziehungsweise 204PS bei 360Nm Drehmoment
- Fahrassistenz-Systeme: Fernlicht-Anpassung, Spurhalte-Assistent, Abstandsanzeige, Parkassistent und vieles mehr
- IntelliLink-e für Apple CarPlay und Android Auto
- Online-Service Opel OnStar
- myOpelApp für aufheizen und herunterkühlen aus der Ferne
- Masse: Länge: 4,16m, Höhe 1.59m und Breite 2,04m (mit Spiegeln)
- Kofferraumvolumen: 381 Liter
- Gesamtgewicht: 1’691kg
Adieu Reichweitenangst!
Wie einleitend schon angetönt, ist der Opel Ampera-e ein Reichweitenmonster, satte 520km sind damit möglich. Diese Angaben sind nach dem NEDC (New European Driving Cycle) erstellt, gemäss Opel aber auch nicht wirklich ganz zeitgerecht und wir kennen das auch von Verbrauchsangaben bei Verbrennungsmotoren, man erreicht die Zahlen nie. Deshalb spricht Open beim Ampera-e auch oft von 380km Reichweite nach WLTP, was für „Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedure“ steht. Die Angaben sind durchaus auch realistisch, wie mein Test gezeigt hat. Die enorme Reichweite wird dank einer 60kWh Batterie erreicht, diese wiegt alleine satte 430kg und ist ein Teil des Chassis und im Fahrzeugboden verteilt. So bleibt der Schwerpunkt tief und die 288 Lithium-Ionen Zellen finden Platz ohne den Fahrzeugraum einzuschränken! Well done!
Den Opel Ampera-e bei winterlichen Bedingungen getestet, auch da funktioniert die Reichweite, sogar am Holmenkollen bei Schnee!
Apple Carplay statt Navi
Opel treibt mit dem Ampera-e auch einen weiteren Trend an, nämlich die Verwendung des eigenen Smartphones als Dreh- und Angelpunkt für Medienwiedergabe und vor allem Navigation. IntelliLink wird das System bei Opel genannt und durch dessen Einsatz wurde im Ampera-e gar auf ein verbautes Navigationssystem verzichtet, dafür kommen dann Apple Carplay mit Apple Maps, beziehungsweise Android Auto mit Google Maps zum Zug. Dürfte für manch einen ein kritisches Unterfangen sein, nach etwas Test- und Bedenkzeit muss ich aber sagen, es macht durchaus Sinn.
Opel Ampera-e: Das Cockpit
Ich erinnere mich auch an meine Aufregung, als ich die Updatepreise für das Kartenmaterial im verbauten Navi für mein Auto mitbekommen habe. Das fällt bei der Nutzung von Apple Maps, beziehungsweise Google Maps dann weg. Löst aber wiederum das Problem von genauer Stauvorhersage, da die beiden Systeme da natürlich deutliche Vorteile gegenüber herkömmlichen Navi mit TNC haben. Die Frage nach Roamingkosten bei Fahrten ins Ausland dürfte aber so manchen etwas ärgern, schliesslich setzen die Navigationsapps eine Datenverbindung voraus.
Navigation mit Apple Maps über Apple Carplay im Opel Ampera-e
Konnektivität
Damit das bereits erwähnte Carplay, bzw. Android Auto funktioniert, ist eine USB-Verbindung nötig. Dazu befinden sich hinter dem Schaltknauf zwei USB-Ports, werden zwei Smartphones gleichzeitig angeschlossen kann das eine für Intellilink genutzt werden, das andere als reines Medienwiedergabegerät. Ganz praktisch und vorausschauend ist die verbaute Smartphone-Halterung, die gleichzeitige eine induktive Ladestation darstellt. Funktioniert also für einige Android-Smartphones, einfaches kabelloses laden. Gut gemacht, für CarPlay aber muss trotzdem eine Kabelverbindung vorliegen. Zwischen den beiden Vordersitzen auf der Rückseite gelegen befinden sich nochmals zwei USB-Ports zum Laden der Smartphones für die Mitfahrer auf der Rückbank.
Induktive Lade-Schale, USB-Ports und Schaltknauf in der Mitellkonsole
Fahrspass mit dem Elektromotor
Kommen wir zum eigentlich wichtigsten Punkt, wie fährt sich der Opel Ampera-e? Gleich vorneweg, das Auto macht riesigen Spass, ist wendig, agil und hat die enorme Power des Elektroantriebs. Dieser bewegt den Ampera-e von 0-50km/h in 3.2s und von 0-100km/h in 7.3s. Das enorme und konstante Drehmoment von 360Nm ist bei einem Elektromotor immer abrufbar, etwas woran sich jemand der sonst vermehrt Verbrennungsmotoren fährt erst mal gewöhnen muss, oder sagen wir gewöhnen darf, denn es ist ein Spass. Überholmanöver auf der Autobahn gelingen dank hoher Beschleunigungswerten um 100km/h herum auch einfacher und angenehmer. Die Maximalgeschwindigkeit wurde auf 150km/h limitiert, das zu Gunsten der Reichweite, da ein Elektromotor in dem Bereich stark ausserhalb des idealen Bereichs dreht.
So sieht es unter der Haube des neuen Ampera-e aus.
Bremsen mit dem Gaspedal
Den kleinen Schaltknauf in der Mitte zwischen den beiden Vordersitzen kennt man Automatikgetrieben, so ist er auch gekennzeichnet mit D, N, P und R. Er verhält sich in diesen Modes auch wie ein Verbrenner, aber da gibt es den L-Mode, den Opel «One Pedal Driving» nennt. Er ist meiner Meinung nach, die Zukunft für die Fahrweise mit Elektrofahrzeugen. Schliesslich stammen alle anderen Fahrmodi eigentlich vom Verbrenner ab. Im L-Mode entspricht das Gaspedal nämlich einem «Geschwindigkeitspedal», lupft man es leicht verringert sich die Geschwindigkeit sofort, der Ampera-e bremst mit dem Elektromotor und rekuperiert dadurch Energie zurück in die Batterie. Das erhöht nicht nur die Reichweite sondern fördert auch vorausschauendes Fahren. Ich habe mich anfangs etwas zwingen müssen den Mode zu Nutzen und auch aktiv daran denken müssen, wie ich damit richtig fahre. Man braucht die eigentliche Bremse sehr wenig und wenn man mal stärker verzögern möchte, kann man das Rekuperations-Padel links hinter dem Steuerrad beiziehen. Dieses funktioniert auch im D-Modus und hilft bei ersten Fahrten zu lernen, wie und wo man Energie zurück gewinnen kann. Aber der deutliche und klare Vorteil liegt im L-Modus und anfangs gerät man immer wieder ins alte Fahrverhalten zurück, aber je länger man damit unterwegs ist, desto mehr wird man vertraut damit. Nicht nur das, wie ich kamen auch andere Testpersonen in einen kleinen Motivationsrausch, möglichst viel Energie zurückzugewinnen und die Reichweite zu steigern. «Gamification» nennt man das wohl…
Komfort
Es sitzt sich gut im Opel Ampera-e, auch wenn ich mit fast 2 Metern Körpergrösse sicher deutlich über dem Durchschnitt liege, fand ich angenehm Platz als Fahrer, wie auch als Beifahrer. Die Sitze sind angenehm, aber hart und straff und haben seitlich stark gestützt. Opel vergleicht die Aussenmasse des Ampera-e mit jenen eines Opel Corsa, Platz hat man Innen wie in einem Astras. Ich würde sogar sagen als Fahrer und auch Insasse hinten habe ich mehr Platz als im Astra (Model 2011). Die komplett geänderte Bauweise mit den Batterien im Boden, dem kleineren Motorraum, wegfallen der Mittelkonsole durch das Auto und die leicht erhöhte Sitzposition geben den Ausschlag.
Opel Ampera-e: Aussen die Masse eines Corsa, Innen der Raum eines Astra
Erstaunlich war der Platz auf der Rückseite. Ich habe den Vordersitz in meiner Fahrposition gelassen und konnte auf der Rückbank trotzdem noch Platz nehmen, wie bereits erwähnt bin ich grössenmässig weit über dem Durchschnitt, der Ampera-e dürfte damit als Familienauto auch in Frage kommen. Der Stauraum im Kofferraum beläuft sich auf 381 Liter, klappt man die beiden Rücksitze runter sind es 1’274 Liter.
Trotz 2m Körpergrösse noch knapp Platz auf der Rückbank
Verbrauch und Reichweite
Ich habe auf einer ersten Teststrecke total rund 100km zurückgelegt, dabei hatte mein Ampera-a dabei einen Verbrauch von 22.2 kWh/100km. Das ergibt bei den 60kWh knappe 300km und dürfte natürlich der experimentellen Fahrweise von mir, den winterlichen Bedingungen hier in Oslo bei Schnee und Kälte, der ständige aktiven Heizung, sowie vielen Stops geschuldet sein. Zudem habe ich den Ampera-e während den Stops auch oft weiter heizen lassen, die Anzeige gab jeweils an, das rund ein Viertel der verbrauchten Energie von der Klimatisierung genutzt wurde. Daher schätze ich die 380km Angabe nach WLTP als durchaus realistisch ein. Das Fahrzeug weis das natürlich auch selbst, schalte ich schnell die Klimatisierungsgeräte aus, springt die Restreichweite sofort nach oben.
Reichweite und Verbrauch immer im Blick, dank digitalem Cockpit
Die digitale Anzeige für den Fahrer hat keinen Tacho mehr und natürlich fehlt auch die Drehzahlanzeige. Mittig ist gross die aktuelle Geschwindigkeit eingeblendet, darunter können diverse Zusatzinfos angezeigt werden, sowie Fahrassistenzsysteme. Links, dominant in grün gehalten, ist die Akku Anzeige, inklusive Vorhersage für Reichweite, sowie minimale und maximale Werte. Spannend und wie schon erwähnt motivierend wirkte für mich die Leistungsanzeige rechts. Aktuell wird da auf dem Bild 7kW aus der Batterie gezogen, für Heizung, Scheinwerfen, Display, Radio, Smartphone laden und so weiter. Gibt man Gas steigt der Verbrauch dort natürlich, aber der Wert kann eben auch negativ werden. In diesem Fall rekuperiert man Energie zurück in die Batterie, erhöht die Reichweite und spornt eben an energieeffizient zu fahren.
Elektrisch Tanken
Natürlich habe ich den Opel Ampera-e auch an einer Zapfsäule angeschlossen. Norwegen ist dazu natürlich absoluter Vorreiter und hat ein riesiges Netz ein Ladestationen für Elektrowagen. Ich habe einen kleinen McDonald’s an der Autobahn angesteuert, der hatte prompt eine Ladestation. Perfekt, dazu den Ladeanschluss vor der Vordertüre auf der Fahrerseite geöffnet und angeschlossen, Kabel passt, tiptop! Mir wurde ein RFID-Chip zur Verfügung gestellt, den konnte man an der Ladestation hinhalten und schon hat der Ladevorgang mit 50kW begonnen. Nur 30 Minuten an einem Fast Charger geben dem Opel Ampera-e zusätzliche 150km Reichweite. Im Auto lassen sich auch diverse Lade-Einstellungen vornehmen, damit man in der Schweiz beispielsweise nur bei Niedertarif lädt oder wer am Berg wohnt nur bis 90% Gesamtkapazität und der Rest dann über Rekuperation bei der morgendlichen Talfahrt gewonnen wird.
Tanken an einem McDonald’s Fast Charger in Oslo
Weitere Bilder und Features
Hier noch einige weitere Bilder, teilweise von nicht genannten Features, wie beispielsweise das beheizbare Lenkrad. Kam mir gerade im verschneiten Oslo sehr gelegen, zudem sind auch Sitzheizungen vorne, wie auch hinten verbaut. Hilfreich ist natürlich auch der Verkehrsschild-Assistent, der runde Verkehrszeichen einwandfrei erkannt und dann auf dem Display angezeigt hat. Spurhalte-Assistent der immer leicht gegenlenkt wenn man die Spur unabsichtlich (ohne Blinken) verlassen will, Warner für tote Winkel, Rückfahrkamera und vieles mehr erleichtern das tägliche Fahren.
Opel Ampera-e Interieur
Opel Ampera-e Lenkrad – eine beheizbare Schaltzentrale
Opel Ampera-e Kofferraum
Fazit
Ich denke man merkt es meinen Worten bis hier hin an, ich bin begeistert vom Opel Ampera-e. Es sind zwei Dinge die einem viel Spass beim Fahren machen, einerseits die enorme Kraft des Elektromotors mit hohem Drehmoment in allen Bereichen und andererseits die Möglichkeit sehr effizient voranzukommen. Für das tägliche Pendeln zur Arbeit oder zum Einkaufen reichte ein Elektroauto mit Reichweite um 100km. Zumindest in meinem Fall, aber mit dem Ampera-e liegt nun plötzlich so viel mehr drin. Von Zürich nach Genf sind es 270km, nach Lugano 205 oder nach Sölden für Skifahren im Winter 280km um nur einige Beispiele zu nennen. Mit Fast Chargern unterwegs und kleinen Verpflegungspausen während der Ampera-e lädt ermöglichen natürlich noch weitaus grössere Strecken und das erschwinglich.
Mir hat der Opel Ampera-e sehr gut gefallen, er gefällt mir optisch, wie auch von der Fahrweise sehr gut. Man hat einen guten Mix aus modernen Elementen und einem zeitgemässen Auto-Design gefunden. Der Opel Ampera-e ist das erste Auto, dass mich reizt voll in die Elektromobilität einzusteigen, der Vorteil gegenüber einem Hybrid-Modell sehe ich der wartungsarmen Technik, die man dank dem Verzicht auf einen Verbrennungsmotor einspart. Wie gefällt euch der Opel Ampera-e?
Preis und Verfügbarkeit im Schweizer Markt
Der Opel Ampera-e wird stufenweise in Europa eingeführt, 2017 liegt der Fokus auf vier Ländern mit hohem Potential für Elektromobilität. Nebst Norwegen, dem Vorreiter in Sachen E-Mobility, gehören auch Deutschland, Niederlande und eben die Schweiz dazu. Der Opel Ampera-e wird für 41’900.- CHF erhältlich sein, zunächst über 20 ausgesuchte Händler welche entsprechend geschult werden. Ich empfehle ich mal einen solchen aufzusuchen, sobald der Ampera-e vor Ort ist um euch mal selbst überzeugen zu können.
Disclaimer: Ich wurde zur Testfahrt nach Oslo eingeladen, was ich hier aus Transparenzgründen anmerken möchte. Ihr dürft sicher sein, dass ich stets meine Ansichten vertrete und Begeisterung vertrete.